Richtig leben

 

„Nicht den Tod sollte man fürchten, sondern dass man nie beginnen wird zu leben.“

 

Marc Aurel

 

In diesem Blogbeitrag soll es genau darum gehen – das „richtige“ Leben mit Bezug auf den Tod. Doch wer bestimmt eigentlich, wann wir richtig leben und wann nicht? Gibt es dieses „richtige Leben“ überhaupt? Was ist mit den Meschen, denen ihr Leben nicht gefällt? Dürfen sie dieses Leben beenden?

 

Ich werde versuchen mit euch die Antwort zu finden und jeder, der das Interesse daran hat mich auf dieser kleinen Reise zu begleiten, ist herzlich eingeladen.

 

Doch wo startet man am besten?

 

Genau, als Kind! Als Kind habe ich nicht wirklich oft darüber nachgedacht, ob ich richtig lebe oder nicht, sondern habe einfach das getan, worauf ich Lust hatte. Fußball spielen und Klettern. Jeder meiner Freunde hat das getan was er wollte.

Ich glaube die ersten Gedanken fingen in der Schule an. Man konnte nicht einfach machen, worauf man Lust hatte. Nicht nur weil es verboten war, sondern weil es vor den anderen eventuell auch nicht „cool“ war.

 

War das für dich genauso?

 

Wenn ja, dann sind wir uns ganz ähnlich. Doch nun weiter im Text. Als ich mit der Schule fertig war stand ich gefühlt vor einer Wand. Metaphorisch gesprochen natürlich und ehrlich gesagt fühlte ich mich eher wie in einem Raum mit 1000 Türen. Hinter jeder Tür ein neuer Weg/ eine neue Art das Leben zu leben.

Lerne ich ein Handwerk? Studiere ich? Möchte ich vorher ins Ausland? Was ist, wenn ich etwas verpasse oder Zeit verschwende?

 

All das waren Fragen die sich mir stellten und falls du das auch schon hinter dir hast, dann kann ich nur sagen »Respekt an dich«. Denn es ist für viele Meschen sehr schwer sich zu entscheiden.

 

Ich für meinen Teil bin ein wenig durch das Leben gewandert. Erst mal Student sein für 1 Semester. Hab natürlich das komplett falsche studiert und war mehr auf Partys als im Hörsaal. Doch ich denke, dass ich mein Leben auch zu dieser Zeit ganz passabel gelebt habe.

 

Danach wollte ich die andere Seite kennenlernen, also ab zur Bundeswehr. Strenge Regeln, Vorgesetzte und morgens früh raus. Auch das war eine neue Art zu leben. Streng nach Vorschriften und viel Freizeit. Doch habe ich mein Leben dort richtig gelebt? Wirklich frei war ich ja nicht in den Entscheidungen was ich tue, doch niemand hielt mich fest! Ich konnte einfach gehen. Also denke ich ist auch diese Art zu Leben für die einen das richtige Leben.

 

Soweit so gut. Zwei Arten wie man sein Leben leben kann haben wir also schon hinter uns doch für mich war hier nicht Schluss.

 

Ich wollte raus! Raus aus Deutschland. Also ab ins Ausland für 1 Jahr. Um genau zu sein ans andere Ende der Welt. Neuseeland! Ich dachte mir dort bin ich „Frei“ – Weg von der Familie; - Weg von Regeln und Verpflichtungen. Endlich mein Leben leben. Doch so schön war es gar nicht plötzlich alles allein machen zu müssen. Ich musste quasi die Regeln und Gesetzte des Landes selbst lernen und man konnte bei Verletzungen nicht einfach die Eltern oder Oma nach Hausmitteln fragen.

Versteht mich nicht falsch, es war wundervoll das Ganze zu erleben, aber hat nun jemand, der es nicht gemacht hat, nicht richtig gelebt? Ich denke nicht!

 

Im Anschluss daran ging es für mich zu meinem derzeitigen Ziel bzw. bin ich noch ein Schritt davor. Ich ging zurück nach Deutschland und statt direkt ins Studium zu gehen, habe ich etwas über 1 Jahr ehrenamtlich in einem Heim für Menschen mit schwerst-mehrfach Behinderungen gearbeitet und im Anschluss als Pfleger und therapeutischer Begleiter weiter dort geholfen.

Die Zeit dort hat mir vieles gezeigt. Zwei Dinge sind mir besonders im Kopf geblieben. Zum einen, dass ganz egal ob psychische, physische Behinderung, schwarz, weiß, Mann oder Frau, jeder denkt irgendwann darüber nach wie er/sie lebt und ob er/sie etwas verpasst hat.

Außerdem denkt auch jeder darüber nach zu sterben.

 

Mit dieser Ausgangslage kommen wir zu dem, für viele, nicht so schönen Punkt meiner Frage. Dürfen wir dieses Leben, welches wir gelebt haben, auch selbst für beendet erklären? In meiner Zeit in diesem Heim habe ich einen Jungen kennengelernt. Sein Name war Max (natürlich war das nicht sein richtiger Name aber für unsere Reise nennen wir ihn Max). Max war 16 Jahre alt und hatte Krebs im Endstadium. Metastasen waren in seinem ganzen Körper, aber statt im Krankenhaus auf der Palliativstation zu liegen, wollte er bei seinen Freunden im Heim sein, denn neben dem Krebs hatte Max eine schwere psychische Behinderung und lebte seit frühester Kindheit im Heim mit einigen anderen zusammen.

 

Doch Max stellte schnell fest, dass er nicht mehr wie früher mit den anderen spielen konnte und erzählte mir, dass er sterben möchte, doch nicht wüsste wie.

Laut Ärzten hatte Max den intellektuellen Stand eines 7-Jährigen. Doch er war 16 und demnach war er für mich auch 16 und wurde dementsprechend behandelt.

Ich fragte Max also, woran es liegt, dass er sterben möchte. Er sagte zu mir: „Dennis, ich hatte ein tolles Leben. Ich mein du denkst jetzt vielleicht »ist der dumm?«, der ist doch behindert und war sein ganzes Leben im Heim, aber ich habe gelebt und hatte eine menge Spaß! Ich hatte hier Freunde und haben jeden Tag mit ihnen gespielt, doch jetzt geht es nicht mehr und wird auch nicht mehr gehen. Ich möchte dieses Leben mit den schönen Erinnerungen verlassen und nicht traurig und allein im Bett sterben, egal ob sie mich hier besuchen oder nicht!“

 

Ich stellte zu diesem Zeitpunkt fest, dass Max viel weiter war als ich zu diesem Zeitpunkt. Ein 16-Jähriger Junge, welcher von Ärzten als 7-Jähriger eingestuft wird, hatte sich intensiv mit dem Thema sterben auseinandergesetzt und so vieles berücksichtigt, dass ich zu diesem Zeitpunkt leider keine Antwort für ihn hatte.

 

Also einmal ausgiebig informieren. Ein befreundeter Anwalt teilte mir mit, dass nach Paragraph 217 StGB es wie folgt geregelt ist:

 

(1)  Wer in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesen hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt, wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2)  Als Teilnehmer bleibt straffrei, wer selbst nicht geschäftsmäßig handelt und entweder Angehöriger des in Absatz 1 genannten anderen ist oder diesem nahesteht.

 

Doch am 26.02.2020 wurde dieses Gesetz als Verfassungswidrig erklärt. Denn nach allgemeinem Persönlichkeitsrecht gem. Art. 2 I i.V. 1 I GG gibt es zwar das Recht auf ein Leben, aber keine Pflicht zu leben. Ebenso umfasst dieses Recht auch das Recht für die Entscheidung eines schwer und unheilbar kranken Menschen, wie und zu welchem Zeitpunkt sein Leben enden soll. Vorausgesetzt, er kann seinen Willen frei bilden und entsprechend handeln.

 

Mit diesem Wissen bin ich also zurück zu Max und habe ihm mittgeteilt, dass es sofern er das Ganze mit seinem Therapeuten, Betreuer und Arzt bespricht die Möglichkeit gibt. Er war unglaublich dankbar, denn aufgrund seiner kognitiven Fähigkeiten war es ihm nicht möglich selbst an dieses Wissen zu gelangen und die älteren Mitarbeiter wollten ihm nicht dabei helfen, da sie es als Falsch empfanden. 

 

Um auf unsere Fragen zurückzukommen und ein kleines Fazit zu ziehen. Ich denke jeder von uns lebt auf seine Art und Weise richtig und auch jeder von uns sollte selbst entscheiden dürfen, wann es soweit ist, dass dieses Leben vorbei ist.

 

Um auch das Zitat von Marc Aurel hier abschließend zu betrachten. Ich denke nicht, dass man den Tod fürchten sollte und ebenso wenig denke ich, dass man fürchten sollte, nicht richtig zu leben. Denn niemand kann uns vorschreiben, was richtig und was falsch ist, außer wir selbst und das tun wir durch unsere Entscheidungen. Somit lebst sowohl du als auch ich nach meinen Vorstellungen ein „richtiges“ Leben.

 

Danke, dass du mich auf dieser Reise begleitet hast und ich hoffe, dass meine Erfahrungen und Erlebnisse eventuell auch dich etwas über das Thema nachdenken lassen.

 

Lebe dein Leben! 

 

 

 

 

 

Quelle

 

Zurstaßen, Arno: Selbstbetimmt bis in den Tod, in https://www.springermedizin.de/suizid/suizid/selbstbestimmt-bis-in-den-tod/18169564 (zuletzt aufgerufen 21.11.2021)

 

 

Dennis


04.01.22