Sex - Vorstellung vs. Realität

 

Sie entstanden aus purer Neugierde,

die ersten Begegnungen mit der neuen Welt.

Mit gerade einmal 14 Jahren.

Unzählige Eindrücke, kostenlos, ganz ungefiltert[1].

Sie waren aufregend, wenn nicht sogar erregend.

Ich spürte eine zunehmende Lust auf mehr.

 

Es kamen mehr hinzu. Wöchentlich, nein fast täglich[2].

Mehr Eindrücke, mehr Bilder,

die niemals gleicher Art waren1.

Laut, leise, wild.

Doch sie fesselten.

Ganz unbewusst wurden Vergleiche gezogen.

Körper, die der Perfektion nahten.

Doch der eigene hält nicht mit [3].

Mit jedem weiteren Zugang verstärkten sich die Bilder

der perfekt geformten Frauen[4].

 

Es entstand ein Repertoire an Fantasien und Erwartungen

für die ersten realen Begegnungen.

Betreffend der Durchführung, der Vorlieben und Wünschen.

Ohne sich jemals ein reales Bild gemacht zu haben.

Ohne überhaupt zwischen Realität und Fiktion unterscheiden zu können[5].

 

Reizend, zu welcher Leidenschaft

die Darsteller:innen bereit sind.

Bewegungen, Worte oder nur einzelne Laute.

Sie blieben im Kopf.

Ebenso die Skripte, die reizend und erregend konzipiert wurden,

um das Gelingen der Begattung zu garantieren[6].

Es baut sich Druck auf.

 

Der Druck um das Ziel zu erreichen.

Durch explosiven und abenteuerlichen Sex,

an den Höhepunkt zwischen den Geschlechtern gelangen.

Mit den zuvor gesichteten Handlungen,

die immer zum Ziel führten,

so wie bisher dargestellt6.

 

 

 

Und in Wirklichkeit?

Es sind Werte wie Intimität, Leistungsfähigkeit, Ausdauer und Liebe,

die den Unterschied machen.

Besonders die so zärtlichen und liebevollen

Berührungen – sie waren neu.

Ein anderes Bild des Aktes.

Irgendwie mit mehr Gefühl und Zeit.

 

Es gibt Enttäuschungen, weil das reale Sexualleben

den Erwartungen nicht gerecht wird.

In einem Moment fehlt die Dynamik,

in einem anderen die gewünschte Ausdauer.

Und dann ist es auch mal wieder eintönig.

Der Film, er zeigt alles anders.

 

Die Folge: Unzufriedenheit und Diskussionen.

Und irgendwann fehlt die Lust.

Ganz einfach das Vergnügen mit den fiktiven

Darstellungen wieder aufnehmen,

um der Befriedigung ein Stück näher zu sein.

 

Doch das Wichtigste bleibt auf Strecke:

Die Liebe und Intimität,

die der Sexualität Bedeutung und Tiefe geben [7].

Es bleibt die Frage:

Wie kann man diesem Teufelskreis entfliehen?

Reden – vor allem mit dem Partner:innen[8].

Aber auch mit Freund:innen.

Schamgefühle überwinden und realisierbare Facetten austauschen.

Gemeinsame Wünsche in den Vordergrund stellen.

Für die Liebe: Zwischen Fiktion und Realität unterscheiden.

 



[1] vgl. Korte 2020, S. 65

[2] vgl. Textor 2018, S. 12

[3] vgl. Döring 2020, S. 306

[4] vgl. Korte 2016, S. 364

[5] vgl. Melzer 2018, 205f.

[6] vgl. Danner 2021, S. 10

[7] vgl. Melzer 2018

[8] vgl. Brun del Re et al. 2021, S. 19

 

Outro:

 

Inzwischen kann ich die Frage in der Überschrift leichter beantworten.

Es kann verschiedene Gründe haben, warum das Sexualleben zeitweise nicht so funktioniert, wie man sich es wünscht. Einer der Gründe liegt offenbar in der Einflussnahme unreflektierter Bewegbilder aus pornografischen Darstellungen auf die eigene Sexualität [1]. Ganz besonders in der Zeit als junge Heranwachsende mit [...] unzureichender kognitiver und emotionaler Reife [...]“[2]und fehlenden realen sexuellen Erfahrungen kann der Konsum von pornografischen Inszenierungen negative Auswirkungen auf die Sicht des eigenen Körpers und die Vorstellungen realer Sexualität haben [3].

Die Folgen können so weitreichend sein, dass sie früher oder später zu Unzufriedenheiten im partnerschaftlichen Sexualleben führen[4].

Um Partnerschaftskonflikten und insbesondere dem Phänomen des Performancedrucks[5] entgegenzuwirken, müssten Erziehungsbeauftragte der sexuellen Aufklärung im Internet zuvorkommen[6]. Eltern, Lehrer:innen und Pädagog:innen sollten sich das nötige Fachwissen aneignen und über die Qualität der Darstellungen, die Quantität der Nutzung sowie auf die Wirkungsrichtungen des unreflektierten Konsums aufmerksam machen. Unterstützend dafür kann das Projekt Imagining Desires und Reflecting Desires sowie das dazugehörige Begleitheft sein.



[1] vgl. Melzer 2018, S. 205f.

[2] Kuhle et. al. 2012, S. 26

[3] vgl. Melzer 2018, S. 205f.

[4] vgl. Melzer 2018, S. 205

[5] vgl. ebd.

[6] vgl. ebd., S. 206

 

Stella


08.03.2022